Sebastian Krüger sitzt an Schreibtisch vor PC
©  Sebastian Krüger

Herr Krüger, Sie hatten sich vor eineinhalb Jahren für die Übernahme eines Unternehmens entschieden und nicht für eine Neugründung. Warum?

Krüger: Weil eine Unternehmensnachfolge in meinen Augen mehr Sinn ergab. Ein Unternehmen, das am Markt etabliert ist, hat bereits Kunden, die man mit übernimmt. Und wenn es ein erwiesenermaßen seriöser und solider Betrieb ist, ist es leichter, sich in das Unternehmer- und Lieferantenverzeichnis für öffentliche Aufträge eintragen zu lassen. Selbst bei der Finanzierung kann eine Unternehmensnachfolge von Vorteil sein – auch wenn die finanzielle Belastung durch die Bezahlung des Kaufpreises höher ist als bei einer Neugründung.
Aber in meinem Fall hatte der damalige Eigentümer, Herr Heinrich Bodden, ein sehr gutes Standing bei der Bank und da er im ersten Jahr nach der Übernahme auch noch als Geschäftsführer eingetragen war, verlief die Finanzierung problemlos.

Wie sahen denn Ihre ersten Schritte aus?

Krüger: Bei meinem ersten Treffen mit Herrn Bodden habe ich mir erst einmal die betrieblichen Unterlagen angesehen und das Gebäude besichtigt. Damit konnte ich mir einen ersten Eindruck darüber verschaffen, wie das Unternehmen allgemein da steht und ob es sich überhaupt rechnet, den Betrieb zu übernehmen. Zur Vorbereitung dieses Treffens hatte ich mich zuvor von einem Betriebswirt der Handwerkskammer Berlin beraten lassen, der mir zum Abschluss des Gesprächs noch eine Checkliste in die Hand drückte und mir sagte, worauf ich besonders achten sollte.

Und worum ging es dabei?

Krüger: Wichtig waren zum Beispiel die Gewinne der letzten fünf Jahre, nicht als Excel-Tabellen, sondern ausgewiesen in den Bilanzen des Unternehmens. Die Bilanzen spielen ohnehin eine wichtige Rolle. Die sollte man sich in jedem Fall genauer ansehen. Zum Glück kann ich Bilanzen lesen. Da wurde man auch auf der Meisterschule ganz schön getriezt. Aber mich interessiert das auch. Ich gehöre vermutlich zu der seltenen Spezies, der Buchhaltung Spaß macht.

Worauf haben Sie noch geachtet?

Krüger: Ob die Betriebsmittel , die im Unternehmensprofil bei nexxt-change aufgeführt waren, noch alle vorhanden waren. Bevor das Unternehmen in der nexxt-change-Börse gelistet wurde, fand eine Begehung durch den zuständigen regionalen Ansprechpartner der Börse statt. Damals wurde festgehalten, was an Gerätschaften, Spritzmaschinen oder Autos vorhanden ist. Auf der Grundlage hat die Kammer auch eine Preis- und Wertermittlung erstellt. Das war ein Jahr, bevor ich das Unternehmen übernommen habe. Insofern musste ich prüfen, ob noch alles vorhanden ist, in welchem Zustand es ist und ob es noch genutzt wird.

Was war denn letztlich der Ausschlag dafür, dass Sie sich für diesen Betrieb entschieden haben?

Krüger: Dass er wirklich funktioniert hat und nicht nur ein Ein-Mann-Betrieb war. Dass heißt, zum Zeitpunkt der Übernahme war das Unternehmen am Markt immer noch sehr aktiv und präsent. Das ist wichtig, denn wenn diese Präsenz nicht mehr vorhanden ist, ist es schwierig sie wieder aufzubauen.

Und wie haben Sie festgestellt, dass das Unternehmen noch präsent ist?

Krüger: Ich habe Herrn Bodden gefragt, ob ich mich einen Tag lang zu ihm ins Büro setzen darf, um einen Einblick ins Tagesgeschäft zu bekommen. Er hielt das für eine gute Idee. Und ich konnte sehen, ob und wie oft das Telefon klingelt, ob sich Kunden melden, ob und wie viele Angebote rausgehen und so weiter.

Wie wichtig war Ihnen der gute Kontakt zu Herrn Bodden?

Krüger: Sehr wichtig. Ich wollte vermeiden, dass ich den Betrieb übernehme und es dann, wenn sich noch Fragen ergeben, einfach heißt: „Tschüss, ich bin dann mal weg!“. Ich wollte sichergehen, dass ich Herrn Bodden jederzeit ansprechen kann. Zum Glück klappt das sehr gut. Wir sind so eng in Kontakt, dass ich einfach hin und wieder sagen kann: „Komm doch mal bitte für zwei, drei Stunden zu mir ins Büro, ich bräuchte mal deine Hilfe.“ Dafür bekommt er dann natürlich auch ein Honorar. Was mich besonders freut ist, dass aus der rein geschäftlichen Beziehung inzwischen auch ein sehr guter privater Kontakt entstanden ist.

Sie haben auch Mitarbeiter übernommen. Wie viele waren es?

Krüger: Zwei Festangestellte und zwei Leiharbeiter, die schon jahrelang für Herrn Bodden gearbeitet haben und mittlerweile bei mir fest angestellt sind. Darüber hinaus habe ich in der Zwischenzeit noch vier weitere Mitarbeiter eingestellt.

Das heißt, die Geschäfte laufen gut?

Krüger: Ich kann nicht klagen. Als ich das Unternehmen übernommen hatte, lag der Umsatz bei etwa 350.000 Euro. Letztes Jahr konnte ich den Umsatz bereits um 77 Prozent erhöhen und dieses Jahr sind wir schon bei einer knappen Million. Dass sich der Betrieb so gut entwickelt hat, liegt zum Teil auch daran, dass wir unser Angebot erweitert haben. Wir übernehmen jetzt auch Großaufträge, wie zum Beispiel Decken und Wandflächen mit 13.000 qm und mehr. Oder auch Fassaden. Damit hatte ich schon Erfahrungen während meiner Angestelltentätigkeit gesammelt, so dass ich weiß wie der Markt in dem Bereich funktioniert.

Warum haben Sie damals eigentlich überhaupt über die nexxt-change-Börse ein Unternehmen gesucht?

Krüger: Ich war zuvor fest angestellt und hatte eigentlich gute Jobs, aber ich kam mit meinem damaligen Chef und der Unternehmensphilosophie nicht klar. Also habe ich mir gesagt, ich muss irgendetwas bei mir selbst ändern, sonst werde ich nicht glücklich.

Sind Sie jetzt glücklich?

Krüger: Mehr oder weniger! Manchmal wünsche ich mir etwas weniger Stress, aber wenn man weniger zu tun hat, macht man sich auch wieder Sorgen. Das ist schon kurios. Aber an sich bin ich schon glücklich über den Schritt, den ich gemacht habe.

Was würden Sie denn anderen nachfolgeinteressierten Gründerinnen und Gründer raten?

Krüger: Auf jeden Fall muss man sich die Bilanzen zeigen lassen. Nicht als Kopien, sondern auf jeden Fall im Original. Dazu kann man mit dem Unternehmer eine schriftliche Vertraulichkeitserklärung vereinbaren. Dann kann ich nur jedem empfehlen, sich einmal einen Tag lang im Betrieb aufzuhalten, um zu sehen, was sich so tut und wie die Atmosphäre ist. Interessant ist auch zu erfahren, ob Aufträge vorhanden sind, die nach der Unternehmensübertragung noch abgearbeitet werden können. Und nicht zuletzt die Kunden: Machen die den Wechsel mit? Da kommt es auch auf eine gute Einführung durch den bisherigen Unternehmensinhaber an.

Stand: Oktober 2015