Tilo Beyer ©  Tilo Beyer, Chemnitz

Herr Beyer, warum haben Sie sich seinerzeit für eine Nachfolge entschieden und nicht für eine Neugründung?

Beyer: Wenn man ein funktionierendes Unternehmen kauft, ist das Risiko meines Erachtens geringer als wenn man bei null anfängt. Als Nachfolger übernimmt man zum Beispiel den Kundenstamm und die Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten. Damit hat man schon einmal eine gute Grundlage. Außerdem stehen zur Zeit relativ viele Unternehmen zum Verkauf, weil sich die Eigentümer zur Ruhe setzen möchten. Von daher waren und sind die Chancen gut, ein geeignetes Unternehmen zu finden.

Herr Grießing, Sie und Ihre Frau haben sich etwa acht Jahre auf die Übergabe Ihres Unternehmens vorbereitet. Warum?

M. Grießing: Es hieß schon damals immer, dass die Vorbereitung einer Unternehmensübertragung eine gewisse Zeit braucht. Von daher haben wir frühzeitig Informationsveranstaltungen besucht, Broschüren gelesen und uns die Angebote der nexxt-change-Börse angesehen. Bei einem der Seminarveranstaltungen, haben wir übrigens zufällig einen unserer ehemaligen Wettbewerber getroffen, der seinen Betrieb ebenfalls verkaufen wollte. Das war ein Ingenieurbüro. Und weil dessen Leistungen und Kundenportfolio sehr gut zu uns gepasst haben, haben wir dann kurzerhand das Unternehmen gekauft.

A. Grießing: Damit konnten wir unseren Umsatz deutlich erhöhen und die Attraktivität unseres Unternehmens für potenzielle Nachfolger steigern. Überhaupt stand für uns damals im Vordergrund, die Übergabefähigkeit unseres Unternehmens zu sichern. Wir hatten zum Beispiel ein kombiniertes Wohn- und Betriebsgebäude. Das wäre für einen Verkauf ungünstig gewesen. Also haben wir ein neues Betriebsgebäude auf einem separaten Grundstück gebaut, so dass privates und betriebliches ganz klar getrennt waren. Außerdem haben wir unsere damalige Personengesellschaft in eine GmbH & Co. KG umgewandelt, um das Haftungsrisiko für den Nachfolger möglichst klein zu halten.

M. Grießing: Ein weiterer Punkt war die Überprüfung und Zusammenstellung aller notwendigen Unterlagen, so dass sich der Käufer gleich einen guten Überblick über den Zustand des Unternehmens verschaffen konnte - und nicht zuletzt auch die Banken. Das nötige Kleingeld für den Kaufpreis hat ein Unternehmensnachfolger ja nicht im Sparstrumpf, von daher wollten wir als Verkäufer unseren Teil dazu tun, damit das Gespräch bei der Bank positiv verläuft.

Herr Beyer: Sie haben damals in der nexxt-change-Börse nach einem geeigneten Unternehmen gesucht. Wie sollte das aussehen?

Beyer: Da ich zuvor viele Jahre als Angestellter bei einer großen, international tätigen Anlagenbaufirma tätig gewesen war, habe ich einen Betrieb in derselben Branche gesucht, der aber idealerweise einen Nischenmarkt bedienen sollte. Von der Größe her sollte er nicht mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigten. Als Standort kamen Chemnitz oder Dresden oder auch andere Ort in Sachsen in Frage. Und beim Kaufpreis hatte ich mir natürlich auch eine bestimmte Grenze gesetzt.

Herr Grießing, welche Anforderungen haben Sie damals an Ihren Wunsch-Nachfolger gestellt?

M. Grießing: Zum einen sollte er natürlich Erfahrung auf dem Gebiet des Anlagenbaus mitbringen und auch schon Führungserfahrung haben. Zum anderen war uns ganz wichtig, dass die Arbeitsplätze für unsere acht Angestellten erhalten blieben.

Herr Beyer, wie sind Sie vorgegangen, nachdem Sie das Inserat der Grießings in der nexxt-change-Börse gelesen hatten?

Beyer: Ich habe mich zunächst online an den zuständigen Regionalpartner, die Industrie- und Handelskammer Dresden, gewandt. Darüber wurde dann der Kontakt zur Herrn und Frau Grießing hergestellt, die mich kurz darauf zu einem Gespräch einluden. Dabei konnte ich mir schon einen ganz guten Eindruck vom Zustand des Unternehmens verschaffen. Außerdem erfuhr ich, dass die EVD GaswarnAnlagen mit ihrer Sicherheitstechnik einen Nischenmarkt bedient, was mir sehr entgegen kam. Im Anschluss an das Gespräch habe ich weitere Informationen über den Markt, über Wettbewerber usw. recherchiert, so dass ich mir ein gutes Bild machen konnte und letztlich einen sehr positiven Eindruck gewonnen haben.

Als dann klar war, dass es ernst wird und wir die Verhandlungen fortführen möchten, haben wir eine Exklusivitätsvereinbarung abgeschlossen. Damit war sichergestellt, dass Herr und Frau Grießing nur noch mit mir verhandeln werden und genauso umgekehrt. Das ist sinnvoll, denn ab einem bestimmten Punkt wird es teuer. Wenn man bestimmte Unterlagen von Behörden benötigt oder ein Wertgutachten kostet das Geld. Insofern möchte man als Nachfolger einfach sicher sein, dass der Verkäufer nicht kurz vor dem Notartermin abspringt. Bei meiner Suche nach einem geeigneten Unternehmen hatte ich zum Beispiel einige Unternehmer kennen gelernt, die sich noch gar nicht sicher waren, ob sie tatsächlich verkaufen möchten. Zum einen hatten sie noch keinerlei Preisvorstellungen, zum anderen gab es entweder eine Tochter oder einen Sohn, die sich vielleicht noch dafür entscheiden würden, das Unternehmen weiterzuführen. Das ging dann immer hin und her, aber das bringt nichts.

Angelika und Manfred Grießing vor Blumen
Angelika und Manfred Grießing ©  Manfred Grießing, Freital

Frau Grießing, inwiefern hatte Herr Beyer Sie als Nachfolger überzeugt?

A. Grießing: Er hatte eine sehr genaue Vorstellung davon, wie sein zukünftiges Unternehmen aussehen sollte. Und er ging wirklich mit großem Eifer an die Sache heran und war bereits für unser erstes Gespräch sehr gut vorbereitet. Das war nicht selbstverständlich. Wir hatten ja eine große Zahl an Bewerbern und viele mit denen wir gesprochen hatten, kamen praktisch mit leeren Händen und hatten keinerlei Informationen über den Markt, die Branche oder waren insgesamt sehr zögerlich mit ihren Vorbereitungen.

M. Grießing: Die berufliche Qualifikation von Herrn Beyer spielte für uns natürlich auch eine wichtige Rolle. Er hatte langjährige und umfangreiche Erfahrungen im chemischen Anlagenbau gesammelt - auch im Ausland. Von daher kannte er den Markt sehr gut. Hinzu kam, dass wir uns vom ersten Tag an sehr gut verstanden. Herr Beyer kommt auch aus Sachsen, aus Chemnitz. Er weiß, wie die Leute hier ticken. Und von seinem Alter her kann er den Betrieb noch mindestens 20 Jahre lang führen.

Waren die Kaufpreisverhandlungen problematisch?

A. Grießing: Nein. Natürlich ist es so, dass es bei der Preisfindung im Rahmen einer Unternehmensübertragung immer gegensätzliche Interessen gibt: Während der Verkäufer einen möglichst hohen Preis erzielen möchte, will der Käufer so wenig wie möglich bezahlen. Deswegen sollte jede Partei für sich eine unabhängige Person hinzuziehen und mit der Unternehmensbewertung beauftragen. Für uns war das damals unser Steuerberater. Herr Beyer hat dann ebenfalls eine Bewertung von einem Wirtschaftsprüfer seines Vertrauens erstellen lassen. Und im Ergebnis lagen beide Bewertungen nur wenige Tausend Euro auseinander, so dass wir uns schnell auf einen Preis einigen konnten.

Herr Beyer, wie hatten Sie sich den Einstieg in das Unternehmen vorgestellt?

Beyer: Mein Wunsch war, dass ich in der Anfangsphase von Herrn und Frau Grießing eingearbeitet werde, um das Unternehmen, die Kunden und Geschäftspartner besser kennenzulernen. So haben wir es dann auch gemacht. Wir haben dann einen Zeitplan festgelegt, der vorsah wie mein schrittweiser Einstieg ins Unternehmen aussehen sollte. Und daran haben wir uns gehalten.

M. Grießing: Herr Beyer war zunächst ein gutes halbes Jahr bei uns angestellt. In dieser Zeit haben wir ihm unsere wichtigsten Kunden und Geschäftspartner vorgestellt und sind mit ihm auf Baustellen gefahren. Mitte letzten Jahres hat er dann 20 Prozent des Unternehmens übernommen und wurde zum Geschäftsführer bestellt. Und zum 1. Januar 2015 hat er dann die restlichen 80 Prozent übernommen.

Herr Grießing, Sie sitzen jetzt nicht mehr auf dem Chefsessel. Fällt Ihnen das schwer?

M. Grießing: Nein, eigentlich nicht. Wir haben uns ja wirklich jahrelang mit dem Thema beschäftigt und darauf vorbereitet. Wir sind froh, dass wir den Betrieb in einem ordentlichen Zustand abgeben konnten. Und außerdem ist das Verhältnis zwischen Herrn Beyer und uns so gut, dass er jederzeit auf uns zukommen kann, wenn er unseren Rat braucht. Dafür stehen wir immer zur Verfügung. Das ist überhaupt keine Frage.

Herr Beyer, wie ist es Ihnen gelungen, dass die Mitarbeiter Sie als Chef akzeptiert haben?

Beyer: Ich habe gleich zu Anfang eine kleine Mitarbeiterversammlung durchgeführt, auf der ich von den Grießings als zukünftiger Chef vorgestellt wurde. Von daher wussten alle Mitarbeiter von Anfang an Bescheid und waren froh, dass es weitergeht und der Nachfolger aus der Region kommt. Es hätte ja auch sein können, dass der Betrieb womöglich von einem größeren Unternehmen gekauft und dann irgendwann geschlossen wird. Aber die Sorge war unbegründet. Im Gegenteil: Heute sind aus den acht Mitarbeitern schon zehn geworden.

Welche Tipps würden Sie anderen Nachfolgern geben?

Beyer: Als Nachfolger sollte man so viele Informationen wie möglich über das Unternehmen einholen und ruhig auch versuchen, mit Lieferanten und Kunden - diskret - ins Gespräch zu kommen. Als Nachfolger hat man nun einmal weniger Informationen als der Unternehmer, der seinen Betrieb verkauft. Insofern muss man darauf achten, dieses Defizit auszugleichen. Das heißt, man muss auch wissen, worauf es bei einer Unternehmensnachfolge wirklich ankommt. Ich hatte den Vorteil, dass ich neben meinem Elektrotechnikstudium Betriebswirtschaft studiert und einige Monate als Wirtschaftsprüfer gearbeitet hatte. Aber trotzdem habe ich im Rahmen meiner Vorbereitungen auch eine zweitägige Veranstaltung bei der IHK Dresden besucht, auf der rechtliche und steuerliche Themen sowie Fragen zur Finanzierung erörtert wurden.

Stand: September 2015