Matthias Engels und Susanne Finsterer
Matthias Engels, Susanne Finsterer ©  Engels Finsterer Forellenhof Rottstock GbR/Marek Schovannek

Frau Finsterer, warum haben Sie sich für eine Nachfolge entschieden und nicht für eine Neugründung?

Finsterer: Meine Grundthese ist – und darin fühle ich mich immer wieder bestätigt: Ein Branchenwechsel, so wie wir ihn wollten, funktioniert nur, wenn man Fachkompetenz mit einkauft. Das gelingt unseres Erachtens am besten, indem man ein bereits bestehendes Unternehmen mit einem gut eingeführten und kompetenten Team übernimmt. Und genau das haben wir hier, auf dem Forellenhof, gefunden. Ergänzend dazu konnten wir unsere unternehmerische Kompetenz und unsere zahlreichen Kontakte, insbesondere zur Spitzen-Gastronomie, in die Waageschale werfen. Wir bringen wichtige Schlüsselqualifikationen wie Kommunikation, Freude an Kulinarik und technischen Sachverstand mit. Und nicht zuletzt: Mein Mann ist Elektroingenieur und besitzt damit das erforderliche Grundverständnis für die technischen Zusammenhänge der Zuchtanlage.

Den Forellenhof haben Sie damals in der nexxt-change-Börse gefunden?

Finsterer: Ja, die Börse ist ganz gut aufgebaut. Für uns kamen damals eine ganze Reihe von Angeboten in Frage. Und anders als in Zeitungsinseraten hat die Börse durch die Anbindung an die Industrie- und Handelskammern in unseren Augen auch einen Vertrauensvorschuss. Das hat sich im Nachgang auch bestätigt: Die Industrie- und Handelskammer Potsdam hat uns bei unseren Vorbereitungen und ersten unternehmerischen Schritten intensiv mit Rat und Tat unterstützt.

Wie haben Sie festgestellt, dass der Forellenhof das Richtige für Sie war?

Finsterer: Wir hatten uns vorher schon andere Unternehmen angeschaut, die aber leider eher vernachlässigt und insgesamt nicht sehr ansprechend wirkten. Bei anderen wiederum stimmte die Lage nicht. Aber als wir am 19. Juni 2013 das erste Mal hierher nach Rottstock kamen, hatten wir sofort den Eindruck: Der Betrieb ist gepflegt. Und die Mitarbeiter sind freundlich.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie übernommen? Und wie war Ihr Einstieg als neue Chefin bzw. neuer Chef?

Finsterer: Das waren damals neun festangestellte Mitarbeiter. Inzwischen sind es acht. Wir haben viel mit den Mitarbeitern gesprochen. Schon vor der Übernahme, bei einem Grillabend mit Lagerfeuer, zusammen mit dem Vorbesitzer. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich viele Mitarbeiter schwertun bei solch einer Übernahme, weil natürlich gegenüber einem Vorbesitzer noch entsprechende Loyalitätsverhältnisse herrschen. Als Nachfolger müssen Sie daher einen Prozess in Gang setzen, in dem Sie transparent mit den Mitarbeitern an der Entwicklung einer neuen Binnenstruktur arbeiten. Wir haben immer offen angesprochen, dass es nicht einfach sein wird, neue Vorgesetzte zu akzeptieren. Ich habe auch von meiner Seite aus klargemacht, dass ich keine Vorschusslorbeeren erwarte, sondern dass wir immer offen miteinander sprechen müssen, wenn ein ungutes Gefühl aufkommt. Mit diesem Vorgehen sind wir bisher gut gefahren.

Sie kommen aus einem ganz anderen beruflichen Bereich. Gab es deswegen Akzeptanzschwierigkeiten seitens der Mitarbeiter?

Finsterer: Diese Akzeptanzschwierigkeiten hätte es gegeben, wenn nicht mein Mann bereits im Vorfeld ein Jahr kostenfrei auf der Anlage mitgearbeitet hätte. Wir wussten, dass es nur funktionieren kann, wenn mein Mann sich vorher auch fachlich in die Materie vertieft und bereit ist, die Ärmel hochzukrempeln und mit anzupacken, auch bei körperlich schweren Teicharbeiten. Ich musste mir dieses Standing dann erst mit Übernahme des Betriebs erarbeiten.

Was haben Sie nach der Übernahme des Forellenhofs geändert?

Finsterer: Alles! Unser Vorbesitzer hat kein aktives Marketing und keinen aktiven Vertrieb betrieben. Ich hatte über viele Jahre hinweg nicht nur für TV-Unternehmen produziert, sondern auch für große deutsche Marken und DAX-Unternehmen gearbeitet - mit Schwerpunkt im Lifestyle-Bereich. Ich kenne fast jeden Spitzenküchenchef in Berlin persönlich und betreibe daher aktives Marketing, so dass wir inzwischen in der Spitzengastronomie angekommen sind.

Darüber hinaus haben wir unglaublich viele Sanierungen und Reparaturen durchgeführt. Allerdings sind wir bewusst sehr langsam dabei vorgegangen, nach dem Motto: bewahren und entwickeln. Der Forellenhof ist ein beliebtes Ausflugsziel in der Region, so dass ich zum Beispiel bei der Umgestaltung unseres kleinen Restaurants unsere Gäste nicht vor vollendete Tatsachen stellen wollte, sondern sie mit „ins Boot" geholt und mit ihnen über die Neugestaltung gesprochen habe.

Wie sehen Ihre Tipps für angehende Nachfolger aus?

Finsterer: Zunächst sollte einem bewusst sein dass man - im Idealfall - nicht nur ein florierendes Geschäft übernimmt, sondern auch Material, Geräte, Einrichtungsgegenstände usw. Das können oft tickende Zeitbomben sein, die zum Zeitpunkt des Verkaufs vielleicht noch gut aussehen. Aber als Nachfolger kann man deren Lebensdauer oft nicht wirklich abschätzen. Das heißt, dass es häufig zu einem unvorhergesehenen größeren Sanierungsbedarf kommen kann. Daher sollte man immer eine größere Kapitalreserve in der Hinterhand haben. Und man sollte sich vorher informieren, welche gesetzlichen Vorschriften oder behördlichen Verordnungen vorliegen müssen. Die hat ja der Vorbesitzer schon. Aber die muss man alle auf sich übertragen lassen.

Sie hören sich so an, als wären Sie ganz zufrieden mit Ihrer Entscheidung.

Finsterer: Diese Entscheidung haben wir in keiner Sekunde bereut. Obwohl es keineswegs immer einfach war. Die größte Hürde war für uns, als die Naturschutzbehörde vor unserem Gelände neun Krötentunnel gebaut hat und die Zufahrtstraße gesperrt werden musste. Dadurch hatten wir erhebliche Umsatzeinbußen, die uns fast den Hals gebrochen hätten. Dieser Einschlag wirkt noch nach, aber unter dem Strich kann ich sagen, dass wir mit der bisherigen Entwicklung sehr zufrieden und auch glücklich sind. Wir sind mittlerweile in der Hauptstadt angekommen – auf hohem Niveau. Wir haben ein attraktives Angebot, das wir stetig erweitern. Gerade stellen wir unseren ersten Saiblingskaviar her und im kommenden Jahr werden wir zum Beispiel selbstgemachte Delikatessen in unser Sortiment aufnehmen.

Stand: November 2015