Porträt von Martin Thöle
Martin Thöle ©  Martin Thöle

Herr Thöle, wissen Sie noch, wie lange Sie nach einem Unternehmen gesucht haben?

Thöle: Das ist ein mehrjähriger Prozess gewesen. Man muss sich einfach relativ viele Unternehmen anschauen, bis man etwas Passendes gefunden hat. Ich habe damals ein Unternehmen in den Bereichen Finanzen und Industrie gesucht. Das passte am besten zu meinen Fähigkeiten, da ich zuvor 17 Jahre lang in verschiedenen internationalen Industrieunternehmen als kaufmännischer Leiter sowie Leiter der Abteilung Finanzen und Controlling beschäftigt war.

Sie hatten im ersten Schritt ein Inserat in der nexxt-change Unternehmensnachfolgebörse veröffentlicht.

Thöle: Richtig, ich habe bei der Suche nach einem Unternehmen vor allem mit der Plattform nexxt-change gearbeitet und dabei die Suchfunktion so eingestellt, dass ich automatisch jeweils über neue und passende Angebote informiert wurde.

Die Suche war offensichtlich erfolgreich.

Thöle: Ja, im Juni 2018 habe ich zunächst ein gut geführtes Buchhaltungsbüro gefunden und gekauft. Der einzige Nachteil war, dass es vom Geschäftsvolumen her zu klein für mich war. Also habe ich noch etwas Ergänzendes gesucht. Das war dann ein Industriegroßhandel, den ich knapp sechs Monate später übernommen habe. Beide Unternehmen habe ich unter dem Dach der AAAgiler GmbH zu einer unternehmerischen Einheit zusammengefasst.

Ich habe damit eine Dienstleistungsplattform für Start-ups sowie kleine und mittlere Unternehmen aufgebaut, die den gesamten kaufmännischen Bereich abdeckt, also Controlling, Buchhaltung, Gehaltsabrechnung und Einkauf sowie Finanzberatung. Im Sinne von: „Kümmert Ihr Euch um Eure Technologie, wir übernehmen den kaufmännischen Bereich“. Der Industriegroßhandel mit Schwerpunkt Arbeitsplatzsysteme sorgt für Kontakte zur Industrie. Hier gab es bereits etablierte Geschäftsbeziehungen zu mittelständischen Unternehmen sowie zu einer Reihe von Großunternehmen. Durch die beiden Geschäftszweige biete ich Industrie 4.0 Start-ups und Unternehmen im Bereich Industrieprodukte eine gemeinsame Vertriebsplattform an.

Mitarbeiter haben Sie keine übernommen?

Thöle: Nein, beide Unternehmen waren inhabergeführt, ohne Personal. Aber die bisherige Eigentümerin des Buchhaltungsbüros ist jetzt als Angestellte in Teilzeit bei mir tätig. Das funktioniert gut und für die Kunden bedeutet es Kontinuität.

Wie haben sich die beiden Geschäftszweige unter Ihrer Geschäftsführung entwickelt? Haben Sie schon neue Kunden gewinnen können?

Thöle: Ja. Auch Start-ups sind schon dabei. Bei dreien bin ich als CFO in Teilzeit tätig und entwickle zum Beispiel Geschäftspläne. Außerdem betreue ich vertriebsseitig ein Start-up in Israel, das im Bereich ManufacturingAnalytics-Software unterwegs ist. Der Kontakt kam damals über die Hessen Trade & Invest GmbH bzw. über das Enterprise Europe Network zustande. Beide sind bei der Vermittlung von internationalen Geschäftspartnern wirklich hilfreich.

Wie sehen Ihre nächsten unternehmerischen Schritte aus? Was haben Sie vor?

Thöle: Ich sitze gerade sozusagen auf gepackten Kisten, weil das Buchhaltungsbüro in die Darmstädter Telekom-City umzieht. Darüber hinaus bin ich dabei, meine Geschäftsbeziehungen auszubauen und weitere Services im Finanzbereich anzubieten. Beim Industriegroßhandel werde ich mehr in Richtung kundenindividuelle Produkte gehen. Gespannt bin ich, wie die Industrieeinkaufsagentur ankommt, die ich in naher Zukunft anbieten möchte. Ich hatte in der Vergangenheit mehrere Lieferantennetzwerke für Unternehmen aufgebaut. Der Effekt war, dass die Unternehmen darüber Kosten einsparen konnten. Ähnliche Netzwerke möchte ich nun wieder auf den Weg bringen.

Zu guter Letzt: Hätten Sie einen Tipp für nachfolgeinteressierte Gründerinnen und Gründer?

Thöle: Das Wichtigste ist, dass man mit Unternehmerinnen und Unternehmern zu tun hat, denen man vertrauen kann. Außerdem muss man in der Lage sein, mögliche Risiken in der Wertschöpfungskette zu erkennen. Ich hatte mir damals zum Beispiel ein kleineres Chemieunternehmen angesehen. Das befand sich in einem Altbau auf einem Betriebsgelände, bei dem man nicht wusste, ob da womöglich irgendwelche Altlasten schlummerten. In einem anderen Fall wurde mir ein Großhandel für Waagen angeboten, der im Wesentlichen von einem internationalen Lieferanten abhängig war und in einem weiteren Fall ging es um ein IT-Unternehmen, dessen weitaus größter Kunde eine Bank war. Solche so genannten Klumpen-Risiken sollte man vermeiden.

Eine weitere Empfehlung ist: Nehmen Sie sich ausreichend Zeit für die Suche und handeln Sie nicht unter Zeitdruck. Eine Unternehmensnachfolge ist ein anspruchsvoller und sehr aufwändiger Prozess, auch wenn es sich um kleine Unternehmen handelt. Wenn man das entsprechende Know-how hat, kann man auf Musterkaufverträge der Industrie- und Handelskammern ausweichen und für seine Zwecke anpassen. Das ist aber wirklich nur zu empfehlen, wenn man etwas von der Materie versteht.

Stand: April 2019

Mit freundlicher Unterstützung der IHK Darmstadt