Porträt von Jens Rößler und Wilfried Ramakers
Jens Rößler und Wilfried Ramakers ©  WIR electronic GmbH

Herr Rößler, Sie hatten einen guten Job in einem internationalen IT-Unternehmen. Trotzdem haben Sie vor etwa sechs Jahren gekündigt und sich selbständig gemacht. Warum?

Rößler: Mit Mitte 40 fragt sich ja so manch einer, wie es weitergehen soll im Leben. Das war bei mir nicht anders. Die Frage war, ob ich die nächsten 20 Jahre weiter als Angestellter arbeiten möchte oder lieber eine neue Herausforderung annehme. Es hat einige Zeit gedauert, aber schließlich war mir klar, dass ich beruflich noch einmal neu durchstarten möchte. Und da ich aus einer Unternehmerfamilie komme, auch mein Bruder ist selbständig, lag es nahe, es mit einem eigenen Unternehmen zu versuchen. Die Übernahme eines bestehenden Unternehmens schien mir dafür gut geeignet zu sein Ich hatte als Angestellter Abteilungen mit teilweise bis zu 100 Leuten geleitet. Führungserfahrungen waren insofern vorhanden. Nichts desto trotz habe ich mir aber bei der Suche nach einem geeigneten Unternehmen sehr viel Zeit gelassen. Ich stand nicht unter Druck und hatte als Angestellter immer wieder mit interessanten Aufgaben zu tun. Alles in allem hat die Suchphase daher mehrere Jahre gedauert.

Gesucht haben Sie über verschiedene Börsen im Internet, unter anderem auch über die nexxt-change Unternehmensnachfolgebörse.

Rößler: Ja, und im Vergleich zu einigen andere Börsen, habe ich hier seriöse Inserate gefunden, für die man nicht im Vorfeld erst einmal Geld bezahlen musste, um überhaupt nähere Informationen zu erhalten. Ich habe mir bei nexxt-change nicht nur die aktuellen Inserate angesehen, sondern auch diejenigen, die bis zu einem Jahr alt waren und bin dann schließlich auf das Inserat von Wilfried Ramakers, dem damaligen Eigentümer der WIR electronic GmbH, einem Fachbetrieb für Kabelkonfektion, gestoßen.

Nach der ersten Kontaktaufnahme haben Sie sich gleich verabredet.

Rößler: ... und uns auf Anhieb gut verstanden. Ich war übrigens der 38. Interessent. Herr Ramakers hatte also auch schon eine ganze Weile gesucht. Aber bei uns hat es sozusagen „gefunkt“ und damit ging der Rest dann auch ganz schnell über die Bühne.

Wie kann man sich das vorstellen?

Rößler: Kurz nach unserem ersten Treffen hat mich Herr Ramakers eingeladen, mir sein Unternehmen anzusehen. Und als es dann mit den ganzen Vorbereitungen und Verhandlungen losging, hat er mir den Schlüssel für die Produktionshalle in die Hand gedrückt. Das heißt, ich hatte freien Zugang und konnte mich jederzeit informieren. Das war natürlich ein sehr großer Vertrauensbeweis, schließlich lag die Vertragsunterzeichnung noch in weiter Ferne. Aber das war einfach der große Vorteil: dass wir sehr offen miteinander umgehen konnten, selbst wenn es hin und wieder Meinungsverschiedenheiten gab.

Ein ganz wichtiger Punkt war auch, dass wir zusammen alle wichtigen Kunden und Lieferanten besucht haben. Die wussten ja, dass Herr Ramakers auf die 70 zugeht und haben ihn in der Vergangenheit schon immer mal gefragt, wie es mit dem Unternehmen weitergehen soll. Insofern kam diese Vorstellungsrunde sehr gut an. Auch die Mitarbeiter waren beruhigt, dass ihre Arbeitsplätze gesichert waren.

Entsprach das Unternehmen denn Ihren ursprünglichen Suchkriterien?

Rößler: Sagen wir so, die Rahmenparameter haben gestimmt. Das Unternehmen hatte damals 23 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Standort hat auch gepasst. Ich hatte aber eher einen Betrieb aus dem produzierenden Gewerbe, vorrangig in den Bereichen Automation, Maschinenbau, Zerspanung gesucht und mir in den fünf, sechs Jahren fast 20 Unternehmen angesehen. Dass die Wahl dann letztlich auf einen Betrieb für Kabelkonfektion fiel, war so nicht vorgesehen. Mit der Anfertigung von Kabeln hatte ich nur am Anfang meiner Berufstätigkeit nach dem Studium für ein paar Monate zu tun gehabt.

Wie sahen Ihre Vorbereitungen aus?

Rößler: Das war ziemlich anstrengend. Ich war ja damals noch berufstätig und habe mich dann abends zu Hause immer noch viele Stunden hingesetzt, um mein Know-how in Sachen Kabelkonfektionierung zu erweitern und meinen Businessplan zu schreiben. Gut war, dass mir dabei die IHK Chemnitz mit ihrem mehrstufigen Konzept für Unternehmensnachfolger zur Seite stand. Dazu gehörte zum Beispiel die Überprüfung des Konzepts, Informationen zu Fördermitteln und die Vermittlung eines erfahrenen Übernahme-Coachs. Das hat sich sehr bewährt, vor allem der Coach hat gute Dienste geleistet. Herr Ramakers und ich hatten uns zum Beispiel bei den Kaufpreisverhandlungen etwas festgefahren. Der Coach hat dann - als neutraler Dritter - vermittelnd eingegriffen und eine andere Sichtweise eingebracht. Das hat sozusagen den Knoten gelöst.

Unter dem Strich sah es so aus, dass alle Beteiligten wirklich sehr gut miteinander kooperiert haben, so dass im Oktober 2014 die Verträge unterschriftsreif waren.

In der Anfangsphase war Herr Ramakers noch im Unternehmen?

Rößler: Ja, drei Jahre. Das war auch eine meiner wichtigsten Bedingungen: dass er mir nach der formalen Übertragung des Unternehmens noch zur Seite steht. Das heißt, wir waren zwar beide als Geschäftsführer eingetragen, aber der Hauptakteur war ich. Seit einem Jahr ist er nun ganz aus dem Unternehmen ausgeschieden. Wir stehen aber immer noch in Kontakt. Gerade eben hat er mir eine WhatsApp-Nachricht geschickt.

Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus bzw. was haben Sie verändert im Unternehmen?

Rößler: Aus den 23 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind jetzt 30 geworden. Das Unternehmen wächst also. Wir bauen gerade eine zusätzliche Halle an unserem Produktionsstandort, um uns noch ein Stück breiter aufzustellen. Neu ist, dass wir auf Messen gehen, um Kunden zu akquirieren. Wir haben auch die Art der Kundenkommunikation geändert, wie wir den Kunden zuhören, wie wir für den Kunden Dinge bauen, entwickeln usw. Wir können als Mittelständler unsere Kunden immer wieder mit unserer Geschwindigkeit, wie wir Dinge an den Markt bringen, verblüffen. Das wollen wir beibehalten und ausbauen. Das hat auch dazu beigetragen, dass wir unseren Kundenstamm ausbauen konnten und Aufträge aus den Bereichen Automation, Luft- und Raumfahrt oder auch Kraftwerkstechnik erhalten.

Denken Sie manchmal auch schon an Ihre eigene Nachfolge?

Rößler: Ich habe zuhause jemanden, der mich regelmäßig daran erinnert – meine Frau. Aber ich habe das Unternehmen ja erst vor fünf Jahren übernommen und den Kopf voller Ideen. Die reichen noch für die nächsten 20 Jahre. Ich sage mal so: Es dauert noch ein paar Jahre bis ich 60 bin, und dann werde ich darüber nachdenken, wer in meine Fußstapfen treten könnte.

Zu guter Letzt: Was würden Sie nachfolgeinteressierten Gründerinnen und Gründern empfehlen?

Rößler: Meines Erachtens muss man sich, bevor man eine Nachfolge angeht, darüber im Klaren sein, dass man als Unternehmer etwas unternehmen muss, und zwar selbst und ständig. Da ist niemand, dem man sagen kann „mach du doch mal“. Das muss man wissen und das muss man wollen.

Und sich dann die entsprechende Unterstützung holen?

Rößler: Richtig – das muss man vom ersten Tag an. Die Industrie- und Handelskammern bieten viel an. Es gibt Berater, es gibt Förderprogramme der KfW, der Landesbanken und so weiter. Das würde ich alles mitnehmen, schließlich wird man davon nicht dümmer. Man muss einfach wissen, dass die Übernahme eines Unternehmens ein langer Prozess ist. Der ist schwierig, der ist fordernd. Da ist es gut, kompetente und erfahrene Leute an seiner Seite zu haben.

Stand: März 2019

Mit freundlicher Unterstützung der IHK Chemnitz