Porträt von Oliver Harms
Oliver Harms ©  Oliver Harms

Herr Harms, Sie haben Ihr Unternehmen, die Seeberger Industriebedarf GmbH, im vergangenen Jahr über die nexxt-change Unternehmensnachfolgebörse gefunden. Wie waren Ihre Erfahrungen mit der Börse?

Harms: Gut. Wobei der Detailierungsgrad der Angebote sehr unterschiedlich ist. Manchmal findet man sehr oberflächliche und allgemein formulierte, manchmal sehr detailliert ausgearbeitete Inserate. Man muss da ein bisschen Geduld mitbringen, denn die Unternehmer, die potenziellen Verkäufer, entscheiden selbst, ob sie auf Ihre Interessensbekundung antworten oder nicht. Daher ist es wichtig, bei der Kontaktaufnahme möglichst detailliert vorzugehen und konkret zu beschreiben, wer man ist, welche Qualifikationen man mitbringt und warum man sich für das Unternehmen interessiert. Damit weckt man das Interesse beim Verkäufer und erhöht die Chance, eine Antwort zu bekommen. Alles in allem habe ich damals über einen Zeitraum von etwa vier Jahren etwa 30 bis 35 Unternehmen angeschrieben. Tatsächlich ins Gespräch bin ich mit dreien gekommen.

Nach was für einem Unternehmen haben Sie denn damals gesucht?

Harms: Entscheidend für meine Suchkriterien waren meine Interessenslagen und beruflichen Erfahrungen. Darüber habe ich mir vor Beginn der Suche im Detail Gedanken gemacht. Für mich war klar, dass es sich um ein Unternehmen in einer ähnlichen Größenordnung handeln sollte wie das, in dem ich gelernt und mehrere Jahre gearbeitet hatte.

Wäre die Neugründung eines Unternehmens nicht einfacher gewesen?

Harms: Klar, eine Neugründung fängt auf einem Blatt Papier an und die Investitionskosten sind im Regelfall geringer als bei einer Nachfolge. Aber für den in Anführungsstrichen höheren Kaufpreis bei einer Nachfolge bekommt man ein Unternehmen, das sich idealerweise schon am Markt etabliert hat, das eine gewisse Bekanntheit und bestenfalls auch einen guten Ruf genießt. Vor allen Dingen erzielt es aber schon Umsätze und Erträge. Das spielt nicht zuletzt auch dann eine wichtige Rolle, wenn man – so wie ich damals – zuvor als Angestellter tätig und an ein regelmäßiges Einkommen gewöhnt war. Insofern stand für mich relativ schnell fest, die Nachfolge in einem bestehenden Unternehmen anzutreten.

Ihre Wahl fiel dann auf das Unternehmen Seeberger Industriebedarf. Warum?

Harms: Man muss ganz klar sagen, dass hier einfach alles gepasst hat. Es handelt sich ja um einen Großhandel für Arbeitskleidung, Werkzeug, Betriebseinrichtungen, technische Gasen für Industrie und Handwerk. Zu den Kunden gehören kleine Handwerksbetriebe, aber auch große Unternehmen, vorrangig aus dem produzierenden Bereich. Alles in allem bin ich hier auf eine sehr gesunde Substanz gestoßen. Außerdem haben sich die Erwartungshaltungen von Herrn Seeberger, dem Verkäufer, und mir gedeckt. Wir waren uns sympathisch. Das war sehr wichtig, denn es entscheidet letztlich darüber, ob man zueinanderfindet oder nicht. Auch die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen entsprachen dem, was ich mir vorgestellt hatte. Überzeugt haben mich auch die Gespräche mit den Mitarbeitern und den Kunden. Hinzu kam, dass die Bewertungen seitens der Banken und des Steuerberaters für das Unternehmen gesprochen haben.

Sie haben acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernommen. Hatten Sie bereits Führungserfahrung?

Harms: Ja. Ich war vor meiner Selbständigkeit mehr als zehn Jahre in unterschiedlichen Positionen in Führungsverantwortung, was sich jetzt nach der Übernahme als immens wichtiger Pluspunkt herausgestellt hat. Die Mitarbeiter müssen sich an einen neuen Inhaber mit einer anderen Denkweise, anderen Strukturen und Erwartungshaltungen gewöhnen. Und da ist es einfach extrem wichtig, sie abzuholen, und mitzunehmen auf dem Weg, den man bestreitet. Für mich sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das wichtigste Gut. Inzwischen sind es übrigens schon zehn.

Wie haben Sie sich auf Ihre Nachfolge vorbereitet?

Harms: Ich habe mir damals ein kleines Netzwerk aus Unternehmern, Bankern und Beratern und Vertrauten usw. aufgebaut. Das waren Menschen, die mich gut einschätzen und mir ehrliche Antworten hinsichtlich meiner Qualifikation und meiner Eigenschaften geben konnten. Nachdem ich zunächst aus meiner Erfahrung heraus das Unternehmen mit seinen Mitarbeitern, den betriebswirtschaftlichen Kennzahlen und Wachstumspotenzialen bewertet hatte, bat ich meine Netzwerkpartner ebenfalls um eine Einschätzung. Das Ergebnis war deckungsgleich und hat daher meine Entscheidung, das Unternehmen zu kaufen, maßgeblich unterstützt.

Wertermittlung und Preisfindung sind keine einfachen Themen für Verkäufer und Käufer. Wie war das bei Ihnen?

Harms: Der Grund, warum der Verkaufsprozess für die Firma Seeberger fast zwei Jahre gedauert hat, war vor allem auf die Wertermittlung zurückzuführen. Ich kann daher aus meiner jetzigen Erfahrung jedem zukünftigen Unternehmensnachfolger nur den Rat geben, Geduld mitzubringen und nichts Unentschlossenes zu tun. Es gibt verschiedene betriebswirtschaftliche Methoden, den Wert eines Unternehmens zu ermitteln. Das ist als Orientierung sicherlich hilfreich. Am Ende müssen sich aber die Erwartungshaltung des Käufers und des Verkäufers decken. Die Schwierigkeit ist, dass es bei der Kaufpreisermittlung des Verkäufers in der Regel immer eine emotionale Komponente gibt. Herr Seeberger hatte das Unternehmen zum Beispiel selbst gegründet und aufgebaut. Diese Leistung kann man nicht anhand von Kennzahlen bewerten. Da muss man einen eigenen Weg finden, um sich zu einigen.

Gab es weitere Themen, die nicht so einfach zu regeln waren?

Harms: Ich hatte nicht erwartet, dass ein Unternehmenskauf oder allein die Einigung und die Vertragserstellung bis zur Unterschrift mehrere Monate dauern würden. Darüber sollte man sich vorher im Klaren sein. Hinzu kam der bürokratische Aufwand. Wenn man finanzielle Unterstützung in Anspruch nehmen möchte, muss man jede Menge Unterlagen einreichen. Und wenn Sie ein KfW-Förderdarlehen oder eine staatlich geförderte Bürgschaft erhalten, werden dafür relativ schnell Gebühren fällig. Das sind Beträge in Höhe von 1,5 bis zwei Prozent der finanzierten Summe. Das ist nicht wenig und muss einkalkuliert werden.

Stand Ihnen Herr Seeberger in der Anfangsphase noch beratend zur Seite?

Harms: Ja, wir hatten vereinbart, dass Herr Seeberger am Tag der Übergabe sämtliche Verantwortung an mich abgibt, mir aber noch für einen gewissen Zeitraum als Berater zur Verfügung steht und mich in alle internen Abläufe, in Kundenbeziehungen und alles, was das Unternehmen betrifft, einführt. Im Nachhinein kann ich sagen, dass sich diese Vorgehensweise sehr bewährt hat.

Was haben Sie bisher am Unternehmen verändert? Und wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?

Harms: An erster Stelle stand die Modernisierung des Unternehmens mit dem Aufbau einer neuen IT-Infrastruktur. Wir haben interne Abläufe und Prozesse verändert, die uns eine Produktivitätssteigerung bringen. Und wir haben angefangen in den Vertrieb zu investieren, um bestehende Kunden noch weiter an uns zu binden und neue Kunden hinzu zu gewinnen.

Was würden Sie aufgrund Ihrer bisherigen Erfahrungen anderen nachfolgeinteressierten Gründerinnen und Gründern empfehlen?

Harms: Man darf sich nicht unter Druck setzen lassen und muss sich im Klaren darüber sein, dass das alles seine Zeit braucht. Man darf sich auch nicht unter Druck setzen lassen, weil ein Unternehmer sagt, er hätte einen anderen Käufer. Empfehlen würde ich auch, zu möglichst vielen Menschen Kontakt aufzunehmen, die in der gleichen Situation waren und viele Gespräche zu führen. Jeder macht Fehler in so einer Phase, da kann man von anderen Unternehmerinnen und Unternehmern, die diesen Prozess schon durchlaufen haben, nur lernen.

Zur Hörfassung des Interviews (Kurzversion) mit Oliver Harms

Stand: Mai 2019

Mit freundlicher Unterstützung der IHK Hannover