Porträt von Tilo Happich
Tilo Happich ©  Tilo Happich

Herr Happich, Sie hatten bereits in der Nähe von Hannover ein eigenes Unternehmen, das Sie vor einigen Jahren verkauft haben. Nun haben Sie im Havelland ein Unternehmen übernommen. Wie kam es dazu?

Happich: Ich wollte wieder in meine alte brandenburgische Heimat und musste mir hier natürlich eine Existenz aufbauen. Neu gründen wollte ich nicht, da ich mittlerweile drei Kinder habe. Wenn man neu gründet, muss man ja alles selbst machen. Von daher wollte ich lieber in ein kleines, gut funktionierendes Unternehmen einsteigen, das bereits Mitarbeiter hat. Es hätte auch eine Tätigkeit als Geschäftsführer oder eine Beteiligung sein können. Aber jetzt, nach zwei Jahren, kann ich sagen, dass die Nachfolge auf jeden Fall der richtige Weg war.

Bei der Suche nach einem Unternehmen hat die Branche für Sie keine große Rolle gespielt.

Happich: Eigentlich nicht, obwohl ich einige Branchen, wie zum Beispiel Gastronomie oder Friseurhandwerk ausgeschlossen habe. Aber abgesehen davon habe ich branchenoffen gesucht. Hintergrund ist: Ich bin gelernter Volkswirt und Kaufmann und habe aufgrund meiner beruflichen Erfahrungen festgestellt, dass – egal welche Branche – am Ende immer dieselben Fragen stehen: Wie führe ich ein Unternehmen? Wie organisiere ich ein Unternehmen? Wie gestalte ich die Rahmenbedingungen? Wie gehe ich mit den Mitarbeitern um? Wie muss ich die kaufmännischen Prozesse gestalten? Und so weiter.

Wie sind Sie bei der Suche vorgegangen?

Happich: Ich habe bei nexxt-change ein kleines Profil von mir veröffentlicht. Das war ganz einfach. Man muss das Inserat nur regelmäßig pflegen und zum Beispiel alle vier Wochen die Stichworte etwas ändern, sonst rutscht man im Laufe der Zeit immer weiter nach hinten.

Und haben sich Interessenten gemeldet?

Happich: Ja, eine ganze Reihe sogar. Mit acht Unternehmern habe ich dann ernsthafte Gespräche geführt, wobei die ASKANIA Mikroskop Technik relativ schnell mein Favorit war. Es handelt sich um ein Unternehmen, das Lichtmikroskope und alles was dazu gehört entwickelt und verkauft. Also zum Beispiel auch Systemteile, die in größere, komplexere Messmaschinen eingebaut werden. Entsprechend breit ist unser Kundenspektrum: von Schulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen bis hin zu Kliniken und Industriebetrieben im In- und Ausland. Das Unternehmen hat auf mich damals einen sehr soliden Eindruck gemacht und wurde gut geführt. Es gab einen gut funktionierenden Vertrieb und Einkauf. Die Betriebsgröße war für mich überschaubar, so dass mich auch der Kaufpreis ruhig schlafen ließ. Nach vielen Gesprächen, Betriebsbesichtigungen und Sichtung der Unterlagen habe ich den Betrieb dann am 1. März 2017 übernommen.

Wie lange haben die Vorbereitungen insgesamt gedauert?

Happich: Das ging mit neun Monaten recht schnell über die Bühne. Der Grund dafür war zum einen, dass ich mich mit der Materie auskannte. Ich hatte bereits in der Vergangenheit auf fremde Rechnung Unternehmensübertragungen als kaufmännische Instanz begleitet und initiiert. Zum anderen waren die Inhaber, das Ehepaar Lautenschläger, bereits seit einigen Jahren auf der Suche nach einem Nachfolger. Von daher lagen bereits To-Do-Listen und der Entwurf für einen Kaufvertrag vor. Hinzu kam, dass die Kaufpreisvorstellungen durchaus realistisch waren. Dadurch ging das Ganze relativ schnell.

Warum glauben Sie, fiel die Wahl auf Sie als Nachfolger?

Happich: Die Frage hat mich auch interessiert. Deshalb habe ich Herrn und Frau Lautenschläger gefragt, warum sie sich für mich, einen Kaufmann, entschieden haben. Und da stellte sich die Situation folgendermaßen dar: Frau Lautenschläger war in dem Unternehmen für die Buchhaltung zuständig. Herr Lautenschläger war der Tüftler, der Erfinder, der Techniker. Mit dem Ausscheiden von Frau Lautenschläger hätte es in dem Unternehmen überhaupt keine kaufmännische Kompetenz mehr gegeben. Bei den Mitarbeitern liegen die Stärken ja eher im technischen Bereich. Herr und Frau Lautenschläger waren daher überzeugt davon, dass ein guter Kaufmann mit einem gewissen technischen Interesse das Unternehmen erfolgreicher weiterführen würde als ein toller Entwickler, Forscher oder Physiker, der am Ende vergisst, die Dinge zu verkaufen.

Wie kann man sich den Übergabeprozess vorstellen?

Happich: Wir hatten uns darauf verständigt, dass ich zwei Monate vor dem formalen Übergabedatum drei, vier Tage pro Woche als Hospitant im Unternehmen mitarbeite. Damals habe ich dann schon so ein paar Kleinigkeiten eingeführt, die ich auch heute noch so mache. Wenn ich zum Beispiel morgens ins Büro komme, gehe ich einmal durchs Unternehmen und schüttle jedem Mitarbeiter persönlich die Hand und begrüße ihn.

Eine nette Geste.

Happich: Ja, dann sieht man sich wenigstens einmal am Tag. Die Übergabe war dann relativ fließend. Mit Herrn Lautenschläger habe ich einen Beratervertrag abgeschlossen und vereinbart, dass er an zwei festgelegten Tagen im Unternehmen ist. Außerdem hat er sich verpflichtet, Schulungen im Bereich Optik für die Mitarbeiter und mich abzuhalten. Das hat gut geklappt.

Haben Sie sich bei Ihren Vorbereitungen auch Unterstützung an Bord geholt?

Happich: Ja, punktuell. Die IHK Potsdam war immer dann mein Freund, wenn es um formale Sachen ging. Ich wollte zum Beispiel die Unternehmensbezeichnung um den Markennamen Askania ergänzen. Die IHK Potsdam hat dann geprüft, ob der Name noch frei oder schon vergeben ist. Das Ergebnis hatte ich innerhalb von zwei Tagen. Das war wirklich schnell. Darüber hinaus stand mir noch mein Wirtschaftsprüfer aus meiner Zeit in Norddeutschland zur Seite, so dass ich einen Berater und Sparringpartner hatte, mit dem ich in Ruhe die Dinge durchsprechen konnte.

Wie sah es mit der Finanzierung aus? Haben Sie Fördermittel in Anspruch genommen?

Happich: Ja, ein Förderdarlehen der KfW und eine Ausfallbürgschaft der Bürgschaftsbank Berlin-Brandenburg. Unterm Strich bin ich sehr zufrieden, wie das heute funktioniert. Ich muss aber auch sagen, dass das ganze Projekt vollkommen vor die Wand gelaufen wäre, wenn ich nicht hartnäckig geblieben wäre und mich über alle in Frage kommenden Förderprogramme selbst informiert hätte. Zwei Banken haben aufgrund eines eigenen Fehlers bei der Kombination der Förderprogramme die Finanzierung abgelehnt. Eine weitere Bank hat so astronomisch hohe Konditionen gefordert, dass es im Grunde einer Ablehnung gleichkam. Und bei der vierten Bank war es unmöglich, einen Beratungstermin zu bekommen.

Wie hat es dann doch geklappt?

Happich: Die IHK Potsdam hatte eine Veranstaltung zum Thema Unternehmensnachfolge organisiert. Da saßen dann verschiedene Bankvorstände auf dem Podium. Und der Moderator meinte dann etwas flapsig zum Publikum: „So nah kommen Sie nie wieder an einen Bankvorstand. Wenn wir mit der Podiumsdiskussion fertig sind, gehen Sie hin, schnappen Sie sich denjenigen, den sie brauchen und sprechen ihn an.“ Und genau das habe ich gemacht. Zwei Tage später hatte ich dann einen Termin und drei Monate später die Finanzierung.

Man braucht also einen langen Atem?

Happich: Man sollte hartnäckig bleiben und sich nicht abwimmeln lassen. Man sollte vor allem auch die Richtlinien zu den Förderprogrammen lesen – auch wenn das nicht immer so einfach ist. Aber das ist wichtig, denn zum einen kann man nur dann beurteilen, ob der Ansprechpartner bei der Bank die Programme wirklich kennt und zum anderen kann man schon einmal vorsortieren und herausfinden, welches Programm zu einem passt. Mir wurde zum Beispiel ein Bankdarlehen angeboten, für das meine Frau mit bürgen sollte. Das kam für mich und meine Familie nicht in Frage. Ich habe gelernt, dass man sich einfach nicht auf andere verlassen kann – dafür ist man ja Unternehmer. Und wenn man nicht weiß, wie man an eine Sache herangehen soll, muss man sich Hilfe holen von Leuten, die es nicht nur können, sondern zu denen man auch Vertrauen hat.

Und sonst? Ich kann nur sagen, klar muss man sich die Zahlen anschauen und wissen mit welchen Ideen man die nächsten Jahre wirtschaftlichen Erfolg haben möchte. Aber man sollte auch einfach hin und wieder auf sein Bauchgefühl hören. Und wenn sich alles gut anfühlt, einfach mal machen.

Was hat sich seit Ihrer Übernahme im Unternehmen verändert?

Happich: Eine ganze Menge. Zunächst einmal haben sich das Betriebsklima und die Arbeitsweise geändert. Für die inzwischen acht Mitarbeiter und zwei Aushilfen – zuvor waren es sieben Mitarbeiter – gibt es viel mehr Freiräume. Wir haben flexible Arbeitszeiten und Homeoffice-Arbeitsplätze, vor allem für diejenigen, die nicht hier aus der Region kommen und einen relativ langen Anfahrtsweg haben. Außerdem haben wir jetzt das erste Mal in der Unternehmensgeschichte einen Ausbildungsplatz geschaffen. Und wir haben einen Softwareentwickler eingestellt. Das sind schon deutliche Veränderungen.

Wie sieht es mit Technik und Vertrieb aus?

Happich: Auf der technischen Seite haben wir gerade ein neues ERP-System eingeführt, Damit haben wir Angebote und Bestellungen, Auftragsbestätigungen, Montage, Lieferscheine, Rechnungen usw. zentral in einer Hand hat. Außerdem wollen wir in diesem Jahr unseren Maschinenpark erweitern sowie Design und Leistung unserer Produkte weiterentwickeln.

Und was die Kundenakquise betrifft: Das Unternehmen war bereits vor meiner Zeit auf Messen präsent und hat einen internationalen Kundenkreis. Der soll weiter ausgebaut werden, zum Beispiel durch Kooperationen mit dem Fachhandel. Es braucht natürlich alles etwas Zeit, aber wenn man eine gewisse Energie ausstrahlt, dann läuft es auch.

Zur Hörfassung des Interviews (Kurzversion) mit Tilo Happich

Stand: April 2019

Mit freundlicher Unterstützung der IHK Potsdam