Porträtfoto Jens-Uwe Gebler
Jens-Uwe Gebler ©  Jens-Uwe Gebler

Herr Gebler, anstatt ein neues Schuhgeschäft zu eröffnen, haben Sie ein bestehendes Schuhgeschäft mit zwei Filialen in Dresden übernommen. Warum?

Gebler: Im Schuhhandel ist kein Platz mehr für neue Unternehmen. Für die Eröffnung eines neuen Schuhgeschäfts hätte ich sehr viel Geld in Werbung und weitere Marketingmaßnahmen investieren müssen, um auf dem Markt Fuß zu fassen. Dabei wäre das Risiko, dass es vielleicht trotzdem nicht klappt, dennoch vergleichsweise hoch gewesen. Von daher schien mir die Übernahme eines Geschäfts, das bereits am Markt gut eingeführt ist, der bessere Weg zu sein.

Das Unternehmen hatten Sie über die nexxt-change-Börse gefunden.

Gebler: Ja, genauer gesagt war es mein Schwiegervater, der mich damals bei der Suche unterstützt und auf die nexxt-Börse aufmerksam gemacht hat. Da ich ziemlich genau wusste, was ich für ein Unternehmen suche, konnte ich das Suchergebnis über die Börse relativ schnell eingrenzen. So kamen letztendlich drei Unternehmen in die engere Wahl.

Was für ein Unternehmen schwebte Ihnen denn vor?

Gebler: Ich hatte zuvor in leitender Position in einem Konzern gearbeitet und mich dort mit der Entwicklung von Arbeitsschutzschuhen beschäftigt. Von daher wusste ich, wie ein guter Schuh beschaffen sein muss, um sich darin wohl zu fühlen. Ein Einzelhandelsgeschäft, das ausschließlich Modeschuhe im Sortiment hat, wäre für mich daher nicht in Frage gekommen. Ich habe ein Unternehmen gesucht, das auf hochwertige Gesundheitsschuhe bzw. Passformschuhe spezialisiert ist.

Ein weiteres Suchkriterium war der Standort: Da ich durch meine Tätigkeit als Angestellter häufig im In- und Ausland unterwegs gewesen war, habe ich nach einer Möglichkeit gesucht, wieder mehr Zeit zuhause bei meiner Familie zu verbringen. Das Unternehmen sollte sich daher in Sachsen, am besten im Raum Chemnitz oder Dresden, befinden.

Nachdem Sie in der nexxt-change-Börse fündig geworden waren, haben Sie sich mit der Industrie- und Handelskammer Dresden in Verbindung gesetzt.

Gebler: Genau. In dem Inserat, das die damalige Inhaberin von Schau-Fuss, Frau Meyer in der nexxt-Börse veröffentlicht hatte, wurde die IHK Dresden als Ansprechpartner genannt. Ich habe also kurzerhand dort angerufen und hatte ein sehr nettes Gespräch mit der zuständigen Referentin für Unternehmensnachfolge. Im Anschluss wurde dann der Kontakt zur Eigentümerfamilie hergestellt.

Wie ging es weiter?

Gebler: Ich habe mir erst einmal mit Unterstützung eines Unternehmensberaters und der IHK Dresden einen Überblick verschafft und mir das Unternehmen mit seinen beiden Geschäften und den beiden Mitarbeitern genau angesehen. Nachdem ich mit der Familie Meyer einen Letter of Intent – eine Vertraulichkeitserklärung – vereinbart hatte, konnte ich auch einen genauen Blick auf die Betriebswirtschaftliche Auswertungen und die letzten drei Bilanzen werfen.

Im nächsten Schritt kamen wir dann recht schnell auf den Preis zu sprechen. Ich hatte mich vorher intensiv mit dem Thema Unternehmensbewertung beschäftigt und hielt die sogenannte Praktiker-Methode für geeignet. So dass wir gesagt haben: Zehn Prozent des durchschnittlichen Umsatzes der letzten drei Jahre ergeben den Unternehmenswert inklusive der Unternehmensgegenstände. Den Warenbestand haben wir separat verhandelt. In der Schuhbranche spielt das Alter der Ware eine wichtige Rolle. Ich habe mir daher vorab eine Inventarliste geben lassen und mit der Familie Meyer Stichproben durchgeführt. Anschließend haben wir uns auf einen Abwertungsschlüssel geeinigt und die Differenz zwischen dem Warenwert und der Kaufpreissumme ermittelt.

Die Geschäftsräume sind gemietet. Konnten Sie die Mietverträge einfach übernehmen?

Gebler: Nein, die Mietverträge habe ich auf eigenen Wunsch mit dem Vermieter neu ausgehandelt - mit einer überschaubaren Vertragslaufzeit. Ich muss einfach erst einmal sehen, wie sich das alles entwickelt. Wenn es gut läuft, ist es kein Problem, die Verträge zu verlängern. Aber das sind Zukunftsentscheidungen, die stehen jetzt noch nicht zur Debatte. Ich versuche da, eher vorsichtig zu sein und warte erst mal ab.

Sie benötigten auch eine Finanzierung von der Bank. Wie liefen die Gespräche?

Gebler: Sehr positiv. Wir hatten die wichtigsten Unternehmenszahlen sauber aufgearbeitet und konnten damit belegen, dass der Betrieb läuft. Das hat die Finanzierungsgespräche um einiges vereinfacht. Natürlich besteht für die Bank trotzdem das Risiko, dass ich als Nachfolger das Unternehmen „in den Sand setze“. Ich komme zwar aus der Branche und habe durch meine leitende Angestelltentätigkeit auch unternehmerische Erfahrungen gesammelt. Aber die Banken sind ja immer sehr vorsichtig. Insofern musste ich auch ein paar Sicherheiten hinterlegen.

Vom ersten Kennenlernen bis zum Notartermin vergingen kaum drei Monate. Sie haben ein ganz schönes Tempo vorgelegt. Blieb da genug Zeit, das Unternehmen mit seinen Kunden und Lieferanten kennenzulernen?

Gebler: Ich war im Juli und im August immer wieder vor Ort und habe hospitiert. Und nach der Übernahme war die Alteigentümer Familie noch eine gewisse Zeit im Unternehmen, allerdings kürzer als geplant. Es hat sich relativ schnell herausgestellt, dass wir doch recht unterschiedliche Ansichten hatten, was die Führung der Mitarbeiter betraf, so dass wir uns vorzeitig voneinander verabschiedet haben.

Sie haben vorher in einem Konzern gearbeitet. Jetzt sind Sie Inhaber eines kleinen mittelständischen Unternehmens. Das ist ein großer Unterschied, oder?

Gebler: Unter dem Strich ist es nicht wirklich so sehr viel anders. Gearbeitet werden muss überall. Von daher muss ich sagen, ist die Veränderung gar nicht so groß. Allerdings, wenn ich ehrlich bin, vermisse ich manchmal meine Fachabteilungen. Früher, wenn etwas nicht funktioniert hat, konnte man zu einem Mitarbeiter sagen: „Kümmere dich doch bitte darum“. Jetzt, als Unternehmer, ist man halt für alles zuständig.

Sie haben im September 2016 das Unternehmen übernommen. Was hat sich seitdem geändert, und was steht noch auf der Agenda?

Gebler: Wir haben in den letzten drei Monaten mit Hochdruck eine komplett neue Warenhaus-Software eingeführt inklusive neuer Kassen. Das war schon ziemlich sportlich. Außerdem habe ich noch zwei weitere Mitarbeiterinnen auf 450-Euro-Basis an Bord geholt. Wenn sich der Umsatz weiter gut entwickelt, können wir deren Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden erhöhen.

Geplant ist auch die Teilsanierung eines der Geschäfte. Da muss schleunigst neue Farbe und ein neuer Fußboden rein. Das sollte bis Mai, Juni erledigt sein. Außerdem plane ich in beiden Läden einige Umbauten. Ab Juli werden wir nämlich eine neue Artikelgruppe aufnehmen. Dafür müssen wir neue Präsentationsflächen schaffen. Und zum Ende des Jahres möchte ich Fuß-Scanner ins Unternehmen einführen, weil die aus meiner Sicht heutzutage einfach in ein Fachgeschäft für passgerechte Schuhe gehören.

Stehen Sie selber eigentlich auch im Verkauf?

Gebler: Ja, selbstverständlich. Es gibt ein altes Unternehmer-Sprichwort: Verlange von deinen Leuten nur das, was du selber bereit bist zu geben. Von daher ist es mit Sicherheit nicht verkehrt, auch hin und wieder an der Basis zu arbeiten. Selbst mein ehemaliger Arbeitgeber mit seinen weltweit knapp 20.000 Angestellten hat sich regelmäßig in die Autos seiner Verkäufer gesetzt und ist mit zu den Kunden gefahren.

Wie haben denn die Kunden auf den Inhaberwechsel reagiert?

Gebler: In Absprache mit dem Alteigentümer haben wir da nicht allzu viel Aufhebens gemacht. Beide Geschäfte sind mit ihrem Namen hier in der Stadt gut eingeführt. Wir wollten da nicht zu viel Unruhe reinbringen. Das Ausschlaggebende ist doch meine Leistung und die meiner Mitarbeiter und wie wir uns gegenüber den Kunden präsentieren. Das muss hundertprozentig stimmen. Wir haben hier eine Marktnische, in der wir uns gut bewegen können. Es liegt jetzt an mir, diese Marktnische zu nutzen, auszubauen und sichere Arbeitsplätze zu schaffen.

Welchen Tipp können Sie anderen Gründern geben?

Gebler: Man soll nicht auf Teufel komm ´raus gründen. Ich habe in meinen vielen Jahren gelernt, dass es nicht funktioniert, wenn einem der Job keine Freude bereitet - egal was man verdient. Natürlich gibt es Branchen, in denen man mehr verdient als ein Schuhhändler, aber ich kann für mich behaupten, dass ich in den letzten Jahren eine so hohe Affinität zu Leder und zu guten Schuhen bekommen habe, dass ich wirklich mit Begeisterung bei der Sache bin. Genauso wie meine Mitarbeiterinnen. Und wenn der Kunde strahlend bei uns aus dem Geschäft rausgeht und sagt, dass er sich gut beraten fühlt, dann ist das für mich ein riesiger Erfolg und ein tolles Erlebnis. Wer sich dagegen selbständig machen möchte, nur weil er fünf Euro mehr verdienen will, sollte besser die Finger davon lassen.

Stand: Februar 2017