Porträtfoto Rifat Cetin
Rifat Cetin ©  GW GUSSWERK GmbH

Herr Cetin, Sie hatten bereits als Angestellter in einer Gießerei gearbeitet. Jetzt sind Sie Chef einer Gießerei. Wie kam es dazu?

Cetin: Ich habe eine kaufmännische Ausbildung in einer Eisengießerei in Kempten im Allgäu absolviert, wo ich auch geboren und aufgewachsen bin. Der Betrieb wurde aber nach dessen Verkauf leider geschlossen, was sehr schade war, weil meine Kollegen und ich dort wirklich gerne gearbeitet haben. Also entschloss ich mich, als Nachfolger einen bestehenden Betrieb zu übernehmen und auch meinen Kollegen auf diese Weise neue Arbeitsplätze zu bieten.

Eine komplett neue Gießerei zu gründen, kam für Sie nicht in Frage?

Cetin: Die Frage stand durchaus im Raum, aber was letztlich für eine Nachfolge gesprochen hat, war der existierende Kundenstamm, den man bei einer Unternehmensnachfolge übernimmt. Außerdem muss man bei einer Neugründung Maschinen, Anlagen, womöglich auch noch Gebäude vorfinanzieren, ohne dass man direkt vom ersten Tag an Umsätze erwirtschaftet. Und das Investitionsvolumen in Öfen, Formanlagen usw. ist auch für kleine Gießereien sehr, sehr hoch,

Über die nexxt-change-Börse haben Sie dann einen geeigneten Betrieb im Erzgebirge gefunden.

Cetin: Ja, ich habe mit Hilfe der Unternehmensnachfolge-Börse etwa anderthalb Jahre lang immer wieder nach passenden Gießereien bundesweit Ausschau gehalten. Bis ich dann auf die Aluminiumgießerei hier in Jöhstadt gestoßen bin. Die Tatsache, dass es sich um eine Aluminium- und nicht um eine Eisengießerei handelt, war dabei einer der Pluspunkte. Nach meiner Einschätzung liegt die Zukunft im Werkstoff Aluminium. Hinzu kommt, dass der Betrieb für mich als Nachfolger nicht zu groß ist, aber dennoch Wachstumspotenzial bei Vertrieb und Marketing verspricht. Auch die Betriebsausstattung ist noch soweit in Ordnung, dass wir auf jeden Fall die nächsten zwei oder drei Jahre problemlos produzieren können.

Was konnten Sie als Nachfolger in die Waagschale werfen?

Cetin: Der damalige Eigentümer, Herrn Hans Wieland hatte den Betrieb knapp 50 Jahre geleitet. Ihm lag sehr am Herzen, dass die Gießerei hier am Standort weitergeführt wird. Wenn er sie an eine andere Gießerei oder einen größeren Konzern verkauft hätte, wären die Aufträge womöglich woandershin vergeben worden und der Betrieb hätte über kurz oder lang schließen müssen.

Sie verarbeiten Aluminium. Was genau stellen Sie her?

Cetin: Wir stellen für die Pumpenindustrie Gehäuse aus Aluminium her. Es handelt sich um druckdichten Guss – das ist ein spezielles Verfahren. Weitere 30 Prozent unserer Produkte sind für den Fahrzeugbau, für Lkw-Trailer-Hersteller. Das sind unsere Schwerpunkte.

Wie viele Mitarbeiter hatte der Betrieb. Und wie viele davon haben Sie übernommen?

Cetin: Ursprünglich waren es zwölf Angestellte. Wir mussten allerdings einen Teil der Hand-Fertigung an einen Zulieferer vergeben, der mit vollautomatischen Anlagen arbeitet. Anderenfalls wären wir nicht wettbewerbsfähig gewesen. Von daher arbeiten heute nur noch zehn Angestellte im Betrieb. Darunter sind übrigens zwei meiner ehemaligen Kollegen, die inzwischen auch von Kempten hierher gezogen sind.
Da wir uns in den nächsten Monaten voll und ganz auf den Vertrieb konzentrieren werden, gehe ich aber davon aus, dass wir im Laufe dieses Jahres weitere Mitarbeiter einstellen werden.

Haben Sie beim Übergabeprozess externe Beratung in Anspruch genommen?

Cetin: Ja, ich wollte auf jeden Fall offene Verbindlichkeiten sowie Kosten durch eventuelle Altlasten auf dem Betriebsgelände ausschließen und mich dazu vertraglich absichern. Das war der Hauptgrund, warum ich einen Unternehmensberater hier aus der Region mit ins Boot geholt habe. Die Beratung wurde über die Sächsische Aufbaubank gefördert. Außerdem haben mich die Industrie- und Handelskammer Chemnitz und mein Steuerberater aus dem Allgäu sehr unterstützt.

Wie haben Sie denn den Wert des Unternehmens ermittelt?

Cetin: Ich wusste ungefähr, wie viel es kostet, wenn man eine Gießerei von Null auf aufbaut. Das war sozusagen der Referenzwert. Und da der Preis für die Gießerei darunter lag, haben wir keine Unternehmensbewertung durchführen lassen.
Nur bei den Gebäuden haben wir uns am Bodenrichtwert orientiert, den wir von einer Rechtsanwältin haben ermitteln lassen.

Ist Ihr Vorgänger noch eine Weile im Unternehmen geblieben?

Cetin: Wir hatten vereinbart, dass wir für die Dauer eines halben Jahres zusammenarbeiten. Das war auch gut so, da es ja doch eine Weile dauert, bis man alle Lieferanten und Kunden kennengelernt hat. Insgesamt war Herr Wieland ziemlich froh darüber, dass sich nun jemand Anderes um das Tagesgeschäft kümmert. Ich glaube für ihn war die Übergabe des Unternehmens eine große Entlastung. Aber wenn ich Fragen habe, kann ich mich nach wie vor an ihn wenden.

Wie sehen denn Ihre nächsten Schritte aus?

Cetin: Unser Ziel ist es, neue tolle Aufträge an Land zu ziehen und mit den Kunden zu wachsen. Dazu möchte ich den Bekanntheitsgrad der Gießerei hier in der Region und in den Branchen, die wir bereits beliefern, steigern. Je nachdem, wie sich die Geschäfte entwickeln, werden wir in Gebäude und Maschinen investieren, so dass wir weiterhin wettbewerbsfähig produzieren können. Stichwort „Automatisierung“. Da müssen wir einiges nachholen.

Wenn Sie zurückblicken: Auf was kommt es Ihrer Erfahrung nach bei einer Nachfolge besonders an?

Cetin: Das Wichtigste ist festzustellen, ob die Kunden dem Unternehmen auch nach der Übernahme treu bleiben. Ich habe damals die zwei größten Kunden der Gießerei besucht. Beide haben mir nach dem Gespräch ein positives Signal gegeben. Die waren auch ganz glücklich darüber, dass sie weiterhin von einer regionalen Gießerei beliefert werden. Ein weiterer Punkt ist die technische Ausstattung. Da ist es nicht verkehrt, sich beraten zu lassen und bei einer gemeinsamen Begehung zu überprüfen, ob die Maschinen und Geräte tatsächlich soweit in Schuss sind.

Vermissen Sie das Allgäu?

Cetin: Anfangs war ich jedes zweite Wochenende zu Hause. Aber inzwischen habe ich mich gut eingelebt und bin zum Beispiel mit meinen ehemaligen Kollegen aus Kempten und jetzigen Mitarbeitern hier im Fußballverein. Es ist für mich und meine Kollegen schon deutlich zu spüren, dass sich die Leute – auch der Bürgermeister - hier wirklich alle darüber freuen, dass das Unternehmen weitergeführt wird.

Stand: Februar 2017